Erinnerungen bestimmen mit, wer wir sind. Sie sind bedeutsam für unser Handeln und unsere Entscheidungen in der Gegenwart. Ohne Erinnerung können wir unsere Gegenwart nicht verstehen und verfehlen unsere Zukunft. Individuelles und kollektives Erinnern stiftet also Identität und gibt Orientierung. Ein Staat, der seine Geschichte vergisst oder verdrängt, beraubt sich seiner Erfahrungen, um richtige Entscheidungen für die Gegenwart zu treffen.
Aus persönlicher Erfahrung wissen wir, wie wichtig das Gedächtnis ist: Ohne Erinnerung, ohne das Zurückgreifen-Können auf eigene oder gemeinsame Geschichte, verliert ein Mensch seine Individualität und ist nicht lebensfähig.
Auch der Glaube lebt aus der Erinnerung: Vergegenwärtigendes Erinnern ist fester Bestandteil der jüdischen und christlichen Religion. So erinnern sich jüdische Menschen zum Pessachfest an die Befreiung aus Ägypten, als wären sie selbst dabei gewesen. Ähnliches geschieht wenn Christen Abendmahl feiern. Die Kirche ist eine Erinnerungsgemeinschaft, jeder Gottesdienst ist eine Erinnerung an Gottes Willen. Indem Menschen sich Gottes Worte und Taten vergegenwärtigen, können sie sich die Erfahrungen mit Gott aneignen, die frühere Generationen gemacht haben und sie mit der eigenen Situation verknüpfen. Grundlage dafür ist das Versprechen Gottes, seine Schöpfung nicht zu vergessen, sich an den Menschen zu erinnern im Sinne seiner Zuwendung.
Gedenkenstelle Feld der Erinnerung in Berlin. Gibt es richtiges Erinnern? Wir fragen Marion Gardei | Eine Produktion der eikon in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Kirche in Deutschland und SAT.1
Die Erinnerungskultur unserer Kirche hat die Aufgabe, gegen das allgemeine Vergessen zu wirken. Sie erinnert an mörderische Systeme und Unrecht, das Menschen begangen haben. Auch an die eigene Verstrickung, ihr Schweigen oder Mitmachen und damit an die Schuld, die sie in der Vergangenheit häufig auf sich geladen hat. Sie erinnert an die Opfer, um ihr Andenken zu wahren. Auch an die, die ihre Stimme erhoben haben gegen Gewalttaten und Unmenschlichkeit, die aus christlichem Gewissen heraus versuchten, Widerstand zu leisten und dafür häufig mit dem eigenen Leben bezahlen mussten.
Die Gedenk- und Erinnerungsarbeit der Kirche richtet sich vor allem an die Zeit der Nazidiktatur und die Situation von Kirche und Christen in der DDR. Die EKBO erinnert darüber hinaus aus aktuellem Anlass oder zu Jubiläen an bestimmte Menschen, Daten oder Ereignisse, aus denen Menschen für ihre Gegenwart lernen können.